Migräne

Der Migräneanfall ist nicht die eigentliche Krankheit „Migräne“. Die Erkrankung findet im Intervall zwischen den Migräneanfällen statt. Kann die anthroposophische Medizin ein Verständnis des Migräneprozesses ermöglichen, da es der Schulmedizin nicht gelingt?

Um auf diese Frage näher eingehen zu können, muss zuerst das Wesentliche der sogenannten funktionellen Dreigliederung des menschlichen Organismus geschildert werden, die von Rudolf Steiner erstmals in die Medizin eingeführt wurde. Ich werde hierbei nur auf die wesentlichen Erläuterungen eingehen, die mit der Thematik der Migräne zu tun haben.

Wir haben es im menschlichen Organismus mit drei verschiedenen, sich aber dennoch durchdringenden funktionellen Systemen zu tun: ein Nerven-Sinnes-System (NSS), ein Rhythmisches System (RS) und ein Stoffwechsel-Gliedmaßen-System (SGS). In jedem Organ des gesamten Organismus durchdringen sich alle drei Funktionsbereiche: Neven-Sinnes-System und Stoffwechsel-Gliedmaßen-System stehen sich dabei polar gegensätzlich gegenüber, die rhythmische Funktion steht vermittelnd dazwischen.

Das NSS ist die Grundlage des menschlichen Bewusstseins, sowie der Sinneswahrnehmung. Im Organismus finden wir diesen Prozess am stärksten in den Nerven, im Gehirn und den Sinnesorganen verwirklicht.

Das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System bildet die Grundlage des menschlichen Seins. Die Organe, in denen sich dieses Prinzip vor allem verwirklicht, sind die Organe der Verdauung, im weitesten Sinn wie Darm, Leber, Pankreas usw.

Das rhythmische System durchzieht sowohl die Organe des Stoffwechsels wie auch die der Nervenorganisation. Seine stärkste körperliche Verwirklichung erfährt es in den Organen von Blutkreislauf und Atmung.

Aus dem harmonischen Zusammenspiel der drei Systeme ergibt sich die Gesundheit des gesamten Organismus.

Was kann nun diese Betrachtungsweise zum Verständnis des Migräneprozesses beitragen?

Versuchen wir, die vielfältigen Symptome der Migräne den drei Systemen zuzuordnen:

Wahrnehmungsstörungen sowie Bewusstseinsstörungen sind Anzeichen, dass das NSS seine normale Funktion im Anfall nicht aufrechterhalten kann. Sowohl die Wahrnehmungen der Welt wie auch der eigenen Leiblichkeit sind zu stark. Das zeigt sich durch Sinnesempfindlichkeit gegenüber Lärm, Kopfschmerz als zu intensive Selbstwahrnehmung. Jeder physiologische Reiz wird zum Schmerz.

Im Stoffwechselsystem herrscht ein völliges Durcheinander: Übelkeit, Erbrechen, Wechsel von Obstipation und Durchfall, Harnstau und Harnflut sind Indikatoren für dieses Chaos.

Das Durcheinander hat aber noch eine spezielle Komponente: An der Beobachtung der beschriebenen neuerogenen Entzündung lässt sich ersehen, dass das Stoffwechselsystem das des NSS durchbricht. Die Grenze des NSS ist nicht nur gegenüber der Außenwelt, sondern auch gegenüber dem inneren Stoffwechselgeschehen zu durchlässige geworden.

Weitere Symptome zeigen im Rhythmischen System ebenfalls die Störung an: Fehlregulation der Gefäße, schneller Herzschlag (Tachycardien) oder zu langsamer Herzschlag (Bradycardien), Blässe oder Blutandrang zum Kopf (Flush). Das Rhythmische System versagt in seiner ausgleichenden, vermittelnden Stellung zwischen dem NSS und dem SGS.

Aus diesen Betrachtungen wird deutlich: Die Migräne ist als eine Erkrankung des gesamten Organismus zu verstehen mit Störungen in allen drei Funktionsbereichen.

Dabei ist der Migräneanfall nicht die eigentliche Krankheit „Migräne“. Die eigentliche Erkrankung „Migräne“ findet im Intervall statt. Der Migräneanfall ist der Versuch des Organismus, einen langsam sich steigenden Krankheitsprozess wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dieser langsam sich steigernde Krankheitsprozess findet seinen Ausdruck in den Symptomen vor dem Anfall: Stimmungshoch, Stauung und Retention. Der Anfall selbst ist dabei natürlich ebenso ein pathologisches Geschehen. Erst danach stellt sich durch ihn wieder die Heilung ein. 

Wenn wir die Gedanken auf das Farbsystem nach Prof. Dr. Max Lüscher übertragen, ergibt sich folgendes Bild

Von der Behandlung her müssen wir bei der Migräne, die wie bereits erwähnt in der Regel ein rhythmisches Auftreten hat, auf das Intervall zwischen zwei Attacken blicken. In dieser Zeit sind die Betroffenen meist überstark in der Außenwelt tätig.

Das entspricht dem roten Feld der Lüscherfarben. 

Zusammengefasst kann man sagen, dass alles „zu viel, zu schnell und zu perfekt“ abläuft. Man kann diese Veranlagung auch der Hirnaktivität nachweisen. Mit hoher Präzision werden die Notwendigkeiten des Alltags erledigt. Dies führt zu einer überstarken Anspannung. Erholung und Aufbau sind selbst in der Nacht nur eingeschränkt möglich. Das entspricht dem blauen Feld nach Lüscher.

Die sympathikotone Überstimulation ist auch in diesem Zeitraum nachweisbar. Die gebräuchlichen prophylaktischen Medikamente wirken auf diesen Aspekt Betablocker, Antikonvultiva wie Valproat oder Topiramat. Ein überstarkes rotes Feld.

Man kann somit die Migräneattacke als Folge einer hypersympathikotonen Regulationsstörung in dem Intervall zwischen zwei Attacken auffassen. In der Migräneattacke kommt es zu maximaler Sympatikolyse, die zum Übergewicht des Vagus führt. Die daraus resultierenden Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Rückzug und Schlaf weisen darauf hin. Die Blutgefäße sind weit gestellt. Der Übergriff der Stoffwechselprozesse führt zu einer neuerogenen Entzündung im ZNS und den zerebralen Blutgefäßen. In neueren Studien ist nachgewiesen, dass sich diese Entzündung und Reizung der Nerven im Bereich der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) zeigen.

In der Polarität rot / blau finden wir die häufigste und heftigste Migräne. Die Polarität gelb / grün ist hiervon nicht ganz ausgeschlossen.

Venus – Kupfer (entspricht blau)

ist der anfälligste Patient für Migräne überhaupt. Er ist sensibel, rasch angespannt, emotional überlastet bei geringem Selbstwertgefühl. Genussmenschen verkrampfen sich auch gerne vor elektronischen Datenträgern und konsumieren ungesunde Stickstoffprodukte, wie Tabak und Schokolade. Zum Mond gehören auch Probleme mit den Fortpflanzungsorganen und somit auch den dazugehörigen Hormonen. Migräne kann dann im Zusammenhang mit einem prämenstruellen Syndrom oder Endometriose oder menopausen Syndrom auftreten. Diese Beschwerden verschwinden zumeist, sobald die hormonelle Dysregulation ausgeglichen ist oder harmonisiert wurden.

Mars – Eisen (entspricht rot)

Marstypen leiden häufig unter Bluthochdruck, der zumeist stress- und emotional bedingt ist. Durch Ausdauerbewegung kann der Bluthochdruck „abgelaufen werden“. Hier finden wir häufig einen Stau in der Galle und/oder Schilddrüsenstörungen. 

Saturntypen haben Probleme mit dem Säuren-Basen-Haushalt. Sie übersäuern häufig, was zu einer Demineralisierung führt. Die Folge sind arthroseartige Beschwerden. 

Mars und Venus haben die heftigsten Migräneattacken, die durch Stress oder hormonelle Dysregulationen entstehen.

Wenn wir uns noch einmal daran erinnern, dass bei der Migräne der Stoffwechselprozess (hier rot oder grün) zu stark in das Nerven-Sinnes-System eingreift (hier blau oder gelb), und das Zirkulationssystem zwischen beiden nicht vermitteln kann, kann der Schwefel hier eine durchgreifende Anregung auf die rhythmische Organisation entfalten. Schwefel in potenzierter Form sorgt für einen Ausgleich und Entstauung des Stoffwechselsystems. Die Galle wird entstammt, es kommt zu Schweiß- und Harnabsonderung, die Ausscheidung von harnsaueren Substanzen wird aktiviert.

Für die Übertragung des rhythmischen Systems auf die Stoffwechselvorgänge ist das Eisen zuständig. Im weiteren Verlauf ist es wichtig, dass das Nerven-Sinnes-System aus der Lethargie erwacht. Um diese Funktion zu kräftigen, benötigen wir Silicium oder den Quarz. Der Kieselsäureprozess gestaltet, stabilisiert und kräftigt den Organismus. Abbauprozesse im Nerven-Sinnes-System werden angeregt und die Stoffwechselprodukte zur Ausleitung gebracht. Die Kieselsäure hat anregende Wirkung auf Urin- und Schweißabsonderungen.

Jeder Patient hat sein eigenes Anfallsmuster. Darum ist es wichtig im Rahmen der Diagnostik die Systematik, die zu einer Migräneattake führt herauszufinden. Grundlage hierfür ist eine umfangreiche Vital- und Stoffwechselanalyse und in den meisten Fällen auch ein Hormonstatus.

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